Atemgymnastik
Definition
Atemgymnastik kann zur unterstützenden Behandlung und Vorbeugung von Lungenerkrankungen eingesetzt werden. Daneben hilft sie, zu einem natürlichen Atemrhythmus zu finden, was diverse positive Wirkungen auf körperlicher, psychischer und emotionaler Ebene zur Folge haben kann.
Herkunft
Atemübungen waren schon immer ein wichtiger Bestandteil vieler östlicher und westlicher Heilverfahren. So lehrten zum Beispiel bereits vor 2000 Jahren Pneumaschulen in Vorderasien und Griechenland das bewusste Atmen. Auch die indischen Yoga- und Meditationstechniken haben ihren Ursprung in Atemübungen, die zum Erhalt und zur Wiederherstellung der Gesundheit angewendet wurden. Die modernen Formen der Atemtherapie und -gymnastik in den westlichen Ländern gehen vor allem auf den niederländischen Sänger und Psychologen Cornelis Veening (1885–1974) sowie auf den deutschen Arzt und Politiker Johannes Ludwig Schmitt (1896–1963) zurück. Im Lauf der Zeit entwickelten sich zahlreiche atemtherapeutische und atemgymnastische Methoden mit verschiedenen Schwerpunkten, die bis heute in unterschiedlicher Ausprägung gepflegt werden. Die Übergänge zwischen Atemtherapie und Atemgymnastik sind oft fliessend, eine klare Trennung ist nicht immer möglich. Bei allen Methoden steht jedoch der Mensch als Ganzes im Mittelpunkt. Die Atmung wird als zentrales Element gesehen, das einen grossen Einfluss auf den Körper und die Psyche des Menschen hat.
Grundlagen
Aus rein naturwissenschaftlicher Sicht wird Atemgymnastik in erster Linie zur Vorbeugung und unterstützenden Behandlung von Lungenerkrankungen empfohlen. Die regelmässige Übung stärkt die Atemmuskulatur und sorgt für eine bessere Belüftung der Lunge sowie einen erhöhten Sauerstoffgehalt im Blut. Ausdauer und allgemeine Fitness werden gestärkt. Spezielle Atemtechniken können im Falle einer Atemnot helfen. Auch das Abhusten von Schleim kann trainiert werden. Regelmässige Atemgymnastik verbessert die Körperhaltung, die Beweglichkeit der Gelenke und die Elastizität der Muskulatur.
Ganzheitlich betrachtet gehen die Wirkungen regelmässiger Atemübungen jedoch weit über diese Ziele hinaus. Bei jedem Atemzug verändert sich die Stellung des Zwerchfells und somit auch der inneren Organe im Bauchraum. Kreislauf und Stoffwechsel werden angeregt, die Organfunktionen gefördert und das Nervensystem positiv beeinflusst. Der Atem stellt einen Knotenpunkt dar, an dem diverse Ebenen des Menschen zusammenstossen. Wird am Atem gearbeitet, so kann man damit jede dieser Ebenen erreichen. Geistige Regungen, Gefühle und körperliche Veränderungen haben Auswirkungen auf die Atmung und spiegeln sich im Atemverhalten wieder. Situationsabhängig, zum Beispiel durch Stress, Mangel an Bewegung oder Fehlhaltungen kann der Atem kurz, flach oder stockend werden. Kommt es immer wieder und über längere Zeit zu derartigen Atemstörungen, so verringert sich das natürliche Atempotenzial. Der Körper und das Gehirn werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt und das anfallende Kohlendioxid nicht vollständig abgeatmet. Verspannungen, Blockaden und Erschöpfungszustände im körperlichen, geistigen und seelischen Bereich können die Folge sein. Ziel der Atemgymnastik ist es, den natürlichen Atemrhythmus wieder zu finden und eine ausgeglichene Körperspannung herzustellen. Voraussetzung dafür ist eine gute Koordination des Atemsystems und das bewusste Wahrnehmen und Empfinden der drei Phasen der Atmung: Einatmen – Ausatmen – Atempause. Daraus entwickelt sich ein gesteigertes Bewusstsein für das Atemverhalten und das Zusammenspiel von körperlichen, geistigen und seelischen Vorgängen. Sowohl die körperliche als auch die psychische Belastbarkeit und die Lebenskraft werden gesteigert, die Selbstheilungskräfte gestärkt. Auch im Rahmen der Stressbewältigung und zur Entspannung gelten atemgymnastische Übungen als sehr effektiv.
Verwendete Technik
Je nach Ausrichtung des Kursleiters werden bei atemgymnastischen Angeboten unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Speziell für Teilnehmer mit Atemwegserkrankungen konzipierte Kurse konzentrieren sich in der Regel vermehrt auf die körperlichen Wirkungen. Die Teilnehmer erlernen unterschiedliche Atemtechniken, kräftigen bewusst die Atemmuskulatur und erfahren, wie man durch spezielle Drainagelagerungen das Abhusten von Schleim erleichtern kann. Sie trainieren ihre Atmung, um die Ausdauer und die allgemeine Fitness zu stärken und erhalten Verhaltenstipps für Notfälle wie zum Beispiel das Auftreten einer akuten Atemnot. Die Kombination aus Atem- und Bewegungsübungen wirkt sich regulierend auf Atem, Kreislauf und Nervensystem aus.
In ganzheitlich ausgerichteten Kursen stehen die Harmonisierung der Atmung und ihre Auswirkung auf Körper und Psyche im Vordergrund. Abhängig von der Erfahrung des Kursleiters werden dabei spezielle atemtherapeutische Methoden angewendet. Wird keine bestimmte Methode in der Kursausschreibung genannt, so fliessen häufig unterschiedliche Techniken in den Kurs ein.