Beckenbodentraining zurück


Definition

Beim Beckenbodentraining handelt es sich um Körperübungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur, was bei Beschwerden wie beispielsweise Inkontinenz, Instabilität der Wirbelsäule oder Organsenkungen helfen soll.

Herkunft

In den 1950er-Jahren entwickelte der amerikanische Urologe Arnold Kegel (1894–1981) erste Beckenbodenübungen für Frauen mit Inkontinenzproblemen. Die Überlegung von Kegel war, dass die angespannte bzw. zusammengezogene Beckenbodenmuskulatur den Harn aufhält und somit gestärkt werden muss, um eine Inkontinenz zu vermeiden. Damals bestand bezüglich der Anatomie des Beckenbodens noch Forschungsbedarf und für die Patientinnen war es schwierig, sich eine Vorstellung des Beckenbodens zu machen. Die ersten von Kegel konzipierten Beckenbodenübungen, auch „Kegelübungen“ genannt, waren sehr einfach, aber trotzdem wirksam. Das Beckenbodentraining wurde dann in den 1980er-Jahren durch die Forschung des Chirurgen Kurt Richter über die Anatomie und Funktion des Beckenbodens weiterentwickelt und von Physiotherapeutinnen in die Praxis getragen. In der Folge entstanden unterschiedliche Konzepte zur Stärkung des Beckenbodens. Ungefähr seit dem Jahr 2000 nahm das Interesse der Bevölkerung an Beckenbodentraining konstant zu.

Grundlagen

Die Beckenbodenmuskulatur verschliesst den Bauchraum nach unten und erstreckt sich vom Schambein bis zum Steissbein. Seitlich wird sie von den Sitzbeinhöckern begrenzt. Der Beckenboden ist aus mehreren übereinanderliegenden Muskel- und Bindegewebsschichten aufgebaut und erfüllt verschiedene Aufgaben: Er trägt und hält die Bauchorgane (Darm, Blase, Genitalien) in ihrer Position und durch Anspannen der Muskulatur wird die Kontinenz sichergestellt. Beim Toilettengang muss sich der Beckenboden dann entspannen. Ausserdem ist er zusammen mit anderen Muskeln für die Stabilisierung des Beckens beim Gehen und Stehen verantwortlich. In der Schwangerschaft wird das Baby vom Beckenboden getragen, der sich bei der Geburt dann so weit wie möglich dehnen muss. Bei einer Druckerhöhung im Bauchraum, die durch Husten, Niesen oder Lachen ausgelöst wird, reagiert der Beckenboden reflektorisch mit Anspannung, sodass die Kontinenz gewährleistet ist und die inneren Organe in Position bleiben. Schliesslich ist der Beckenboden auch wesentlich für die sexuelle Wahrnehmung.

Ist der Beckenboden geschwächt, kann er seine Funktionen nicht mehr erfüllen. Die Folgeerscheinungen sind vielfältig: Inkontinenz, Rückenbeschwerden, Instabilität der Wirbelsäule, Organsenkungen, erektile Dysfunktion, Prostataprobleme und Verstopfungen. Die Ursachen für eine schwache Beckenbodenmuskulatur sind Übergewicht, allgemeine Bindegewebsschwäche, Schädigung des Beckenbodens aufgrund von Prostataoperationen oder Geburten, Veränderungen in den Wechseljahren sowie dauerhafte ausserordentliche Belastungen beispielsweise durch das Tragen schwerer Lasten oder anhaltendes Husten.

Beim Beckenbodentraining wird die Muskulatur des Beckenbodens gestärkt und gestrafft, da die Beckenbodenmuskeln wie alle anderen Muskeln ihre Aufgaben besser erfüllen können, wenn sie elastisch und kräftig sind. Das Training hilft bei den genannten Beschwerden und eignet sich als Aufbauprogramm nach einer Geburt sowie nach Unterleibs- und Prostataoperationen. Des Weiteren wird durch Beckenbodentraining die sexuelle Empfindungsfähigkeit gesteigert und Körpergefühl und -haltung verbessern sich ebenso wie die Durchblutung der Unterleibsorgane. Letzteres hat positive Auswirkungen auf die Verdauung.

Ziel des Beckenbodentrainings ist ein kräftiger, elastischer Beckenboden, der den Belastungen im Alltag und beim Sport gewachsen ist, bewusst eingesetzt werden kann und sich in einem Gleichgewicht von An- und Entspannung befindet.

Verwendete Technik

Als erstes geht es im Training darum, den Beckenboden wahrnehmen und spüren zu können. Die Schwierigkeit besteht darin, dass es sich dabei um Muskulatur im Körperinnern handelt, die nicht sicht- oder tastbar ist. Das Kennenlernen des Beckenbodens wird beispielsweise mit Wahrnehmungsübungen und Bildern geschult. Ist das Bewusstsein vorhanden, werden Übungen zur Kräftigung, zum bewussten An- und Entspannen sowie zur Erhöhung von Ausdauer und Reaktionsfähigkeit der Beckenbodenmuskulatur ausgeführt. Im fortgeschrittenen Training kommen Übungen in Bewegung oder im Stehen dazu.

Die Wirksamkeit des Beckenbodentrainings wird erhöht, wenn nicht nur die Beckenbodenmuskulatur, sondern auch Becken-, Bauch- und Rückenmuskeln trainiert werden. Eine schlechte Körperhaltung oder schwache Rückenmuskeln beispielsweise resultieren über die Bauchorgane in einem erhöhten Druck auf die Beckenbodenmuskeln. Die Kräftigung der Rückenmuskulatur bewirkt daher eine Entlastung des Beckenbodens.

Bei hartnäckigen Beschwerden oder Schwierigkeiten, den Beckenboden richtig zu spüren, kann das Training durch den Einsatz von speziellen Therapiegeräten unterstützt werden. Beispielsweise bei der Elektrostimulation werden mittels einer Sonde Impulse an die Beckenbodenmuskulatur gesandt, die sich daraufhin anspannt. So wird die Muskulatur gekräftigt und besser wahrgenommen. Beim Magnetstuhl geschieht dasselbe mittels magnetischer Impulse unter der Sitzfläche des Therapiestuhls.

Kursangebote im Bereich Beckenbodentraining sind folgende: - Ein „Blasenmuskulatur-Training“ oder „Blasentraining“ hilft als weitere konservative Massnahme neben dem Beckenbodentraining bei einer Reizblase. Darunter versteht man den plötzlichen Drang, Wasser zu lassen. Die Reizblase ist bei einem Drittel der Betroffenen zusätzlich mit einer Inkontinenz verbunden. Neben der Kräftigung der Blasenmuskulatur geht es bei diesem Training um verhaltenstherapeutische Massnahmen wie zum Beispiel ein Trink- und Miktionstagebuch zu führen (Miktion: Wasserlassen), lernen, regelmässig zur Toilette zu gehen, vorbeugende Toilettengänge zu unterlassen und bei Harndrang nicht sofort die Toilette aufzusuchen, genug zu trinken, auf Getränke wie Cola oder Kaffee, welche die Blase reizen, zu verzichten.

- Gemäss dem Kurskonzept von „Unsere lebendige Mitte“ der Pro Senectute kommt dem Becken hinsichtlich der ganzen Körperhaltung eine zentrale Rolle zu. Es wird als kraftvolle und lebendige Mitte erfasst, die den Körper zu einem harmonischen Ganzen verbindet. Die Basis hierfür ist eine funktionierende Beckenbodenmuskulatur. Das Training richtet die Wirbelsäule auf und entlastet sie, unterstützt viele Bewegungen des Körpers und lindert oder beugt Inkontinenz vor.


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