Atemphysiotherapie zurück


Definition

Die Atemphysiotherapie, ein Teilbereich der Physiotherapie, umfasst Sekretmobilisation, Inhalationstechniken, Drainagelagerungen, Entspannungs- und Dehnungsübungen sowie Muskel- und Ausdauertraining. Ziel der Atemphysiotherapie ist die Wiederherstellung einer möglichst uneingeschränkten Atmung bei Atemwegserkrankungen.

Herkunft

Die Atemphysiotherapie ist auf den Grundsätzen der analytischen Atemphysiotherapie nach Postiaux, Chevaillier und Schenker aufgebaut.

Der belgische Physiotherapeut und Dozent Guy Postiaux entwickelte im Lauf einer 20-jährigen Forschungstätigkeit zusammen mit Ärzten und Ingenieuren eine spezielle Form der Atemtherapie, um Bronchialsekret bei Atemwegserkrankungen zu mobilisieren. Die physiotherapeutische Atemtherapie nach Postiaux wird seit über 15 Jahren in Europa, Südamerika und den USA angewendet. Postiaux unterrichtet an verschiedenen Universitäten und Berufsfachschulen für Physiotherapie und entwickelt seine Methode ständig weiter.

Der belgische Physiotherapeut Jean Chevaillier entdeckte in den 1960er Jahren, dass sich zäher Bronchialschleim durch Intensivieren respektive Vertiefen der Atmung mobilisieren lässt. Daraus und aus der genauen Beobachtung der Atmung seiner Patienten entwickelte er die autogene Drainage (AD). Diese Atemtechnik unterstützt Patienten mit Atemwegserkrankungen dabei, überschüssiges Bronchialsekret ohne fremde Hilfe zu mobilisieren. Bei dieser Technik ist der dosiert beschleunigte Ausatemfluss die treibende Kraft. Zur Unterstützung werden oft mechanische Hilfsmittel verwendet, die durch einen kleinen Ausatemwiderstand erreichen, dass das Sekret ohne Kollabieren der Bronchien transportiert wird.

Die analytische Atemphysiotherapie nach Markus A. Schenker wurde vom gleichnamigen Dozent und Buchautor entwickelt und in einem Buch beschrieben. Das Konzept dieses Buches entstand aus der Lehrtätigkeit von Schenker an der Schule für Physiotherapie im Ausbildungszentrum Insel in Bern. Das Buch vermittelt die Grundlagenkenntnisse zum Verständnis der analytischen Atemphysiotherapie. Mithilfe einer gezielten Untersuchung und einer anschliessenden Analyse wird es möglich, Patienten mit Lungenerkrankungen oder nach operativen Eingriffen gezielt und effizient zu behandeln.

Grundlagen

Die Atemphysiotherapie wird bei Atemwegserkrankungen, welche die Nase, die Bronchien und die Lunge betreffen, eingesetzt. Diese Erkrankungen schränken die Funktion der Atmungsorgane ein, sodass der Gasaustausch an den Lungenbläschen behindert sein kann. Als Symptome können Atemnot, zäher Schleim (Sekret) und Husten auftreten. Die häufigsten Atemwegserkrankungen sind Asthma, Bronchitis, COPD (chronisch obstruktive Lungenkrankheit), Husten oder Lungenentzündungen. Zu einer erschwerten Atmung kann auch die Mukoviszidose (auch cystische Fibrose genannt) führen, eine Stoffwechselstörung, bei der sich vor allem in der Lunge zäher Schleim bildet.

Die Grundlagen für eine erfolgreiche Atemphysiotherapie sind die Befundaufnahme beim Patienten, der auf den Patienten abgestimmte Behandlungsplan und eine persönliche Beratung des Patienten.

Ziel der Atemphysiotherapie ist es, dem Patienten einen selbstständigen Umgang mit seiner Krankheit zu ermöglichen. Betroffene können mit Hilfe der Atemphysiotherapie Techniken für eine verbesserte Atmung und Atemmechanik erlernen. Der Patient soll durch die Behandlung wieder leichter atmen sowie seine Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit steigern können.

Therapiekurse bei Mukoviszidose respektive cystischer Fibrose werden im Rahmen der Atemphysiotherapie durchgeführt.

Verwendete Technik

Bei einer Atemphysiotherapie kommen verschiedene Massnahmen zum Einsatz, um Patienten mit Atemwegserkrankungen zu unterstützen.

Zu den passiven manuellen Techniken gehören beispielsweise Muskeldehntechniken am Brustkorb (Thorax), Thoraxkompressionen und Lagerungstechniken. Dabei arbeitet der Physiotherapeut mit Hilfsmitteln wie zum Beispiel Therapiebällen oder nur mit den Händen.

Die aktiven Techniken, welche die Atmung erleichtern und Sekret lösen, erlernt der Patient zusammen mit dem Physiotherapeuten. Hilfreich sind Übungen zur bewussten Wahrnehmung der Atmung, die an Brustkorb und Bauch sowie durch unterschiedlich tiefe Atemzüge und unterschiedliche Atemfrequenzen erfolgt. Zu den aktiven Techniken zählen ausserdem dynamische Gymnastikübungen zur Mobilisation des Brustkorbs (zum Beispiel mit einem Gymnastikstab oder ohne Hilfsmittel) und allgemeine körperliche Aktivitäten und Sport. Derartige sportliche Aktivitäten sind nur wirkungsvoll, wenn sie an den individuellen Gesundheitszustand und die Belastbarkeit des Patienten angepasst sind. Es eignen sich Sportarten, welche die Ausdauer fördern, wie zum Beispiel Laufen, Radfahren, Fitnesstraining und Tennis.

Aufgabe der Physiotherapeuten ist es ebenfalls, ihre Patienten in Selbsthilfetechniken, die ihre Atmung erleichtern, anzuleiten. Ein Beispiel hierfür ist die Lippenbremse: Der Betroffene atmet dabei ruhig durch die Nase ein und anschliessend langsam durch die zusammengepressten Lippen aus. Die Wangen blähen sich dabei auf. Durch diese Atemtechnik wird der Atemstrom abgebremst und es entsteht in den zentralen Bronchien ein etwas höherer Druck, der diese zur Ausatmung besser offen hält. Die Atmung kann auch durch die sogenannte Torwartstellung erleichtert werden. Hierfür stützt der Patient in nach vorne gebeugter Stellung beide Arme auf, zum Beispiel auf die Oberschenkel oder auf einen Tisch, sodass der Brustkorb weit gestellt wird. Diese Atem erleichternde Position wird häufig in Kombination mit der Lippenbremse angewendet.

Die Physiotherapeuten trainieren mit den Patienten auch die korrekte Handhabung von Atem- respektive Ausatemhilfen, die alle auf dem Prinzip der Lippenpresse basieren, sowie von Inhalationsgeräten, mit deren Hilfe Wirkstoffe verabreicht werden.


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